#54 Bergsteiger Ralf Dujmovits: Nicht die Umkehr, sondern der Tod hieße scheitern
Auch wenn „Outside is Free“ meist den Radsport in den Fokus nimmt – der Bergsport ist bei den HörerInnen ebenfalls sehr beliebt. Unsere Folge mit Hans Kammerlander ist weiterhin die meistgehörte. Weshalb wir uns diesmal erneut dem Thema Bergsteigen widmen, mit einem hochkarätigen Gast: Er ist der 16. Mensch und bisher einzige Deutsche, der alle 14 Achttausender-Gipfel bestiegen hat. Er war insgesamt 35 Mal an einem Achttausender unterwegs – und davon 18 Mal ganz oben. Er hat die Gipfel aller „Seven Summits“, also die höchsten Gipfel aller sieben Kontinente, bestiegen. Und er hat auch alle Alpen-Viertausender gemeistert: Ralf Dujmovits.
Es gibt neben den 14 Mega-Gipfeln zahlreiche Highlights und Besonderheiten im Leben von Ralf, die für uns interessant sind und die im Gespräch thematisiert werden. Die 33-stündige TV-Live-Übertragung einer Durchsteigung der Eiger-Nordwand wird leider nur am Rande erwähnt – ausführlicher geht es aber um seine Ehen mit Bergsteigerinnen wie Gerlinde Kaltenbrunner (bis 2015) und heute Nancy Hansen, um die schwersten und leichtesten Achttausender, besonders gefährliche Situationen, sein spezielles Verhältnis zum Mount Everest, an dem er eineinhalb Jahres seines Lebens verbracht hat, seine Bewunderung für Kilian Jornet, die Bergsteiger-Ethik („by fair means“), die Belastungen für den Körper durch Besteigungen ohne Sauerstoff, seine Vorliebe für den Nanga Parbat – und die Auswirkungen des Massentourismus am Berg.
Das eigentliche Schwerpunktthema ist allerdings Ralfs Vorsicht am Berg. Zwar ist auch er in jungen Jahren waghalsig geklettert und war „free solo“, also ohne Sicherung durch ein Seil, unterwegs. Die Tatsache, dass Ralf von den BergsportlerInnen, die die 14 Achttausender zusammen haben, erst der zweite ist, der sich dabei nichts abgefroren hat, belegt seine Besonnenheit am Berg. In brenzligen Situationen, wenn der Wetterbericht schlechte Aussichten zeigte oder wenn das Bauchgefühl einfach nicht stimmte, ist Ralf meist umgekehrt – seine Umkehrquote liegt über 50 Prozent. Was für andere BergsteigerInnen ein Scheitern wäre, ist letztlich Ralfs Erfolgsrezept. „Scheitern wäre für mich, wenn ich tot bin“.
Über viele Jahre hinweg hat Ralf versucht, Unfälle insbesondere beim Expeditionsbergsteigen zu analysieren. Sein Fazit: Fast immer waren die Gründe für das Scheitern menschliches Versagen, Unvernunft, übertriebener Ehrgeiz – oder eben die Unfähigkeit, umkehren zu können. Fälle von außerordentlichem Pech oder die Unmöglichkeit, das Geschehene erklären zu können, sind dagegen äußerst selten.
Wer sich darüberhinaus mit Ralf beschäftigen möchte, dem sei dieses Buch empfohlen, in dem es ein Interview mit ihm gibt: Michael Ruhland, Klaus Fengler: BERGmenschen. 30 Ikonen der Bergwelt über Wagnis, Liebe und Demut. Frederking & Thaler 2020